Jürgen Pasche Geschichten & Gedichte

Jürgen Pasche
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Die große Düne

(bei Nidden auf der Kurischen Nehrung)   Mit fragenden Füßen betrat ich die sandigen Hügel: Zweimal hast du bedeckt was in den Weg sich dir stellte. Wo blieb nun dein Hunger auf Hütten und Holz?   Die Antwort kommt schweigend doch vernehm‘ ich sie deutlich: Ich sehe die Pflanzen die tief sich verwurzeln gesetzt von […]

Gefallen

Gefallen     und wieder aufgestanden Gefallen     und dann doch den richtigen Weg gefunden Gefallen     und liegen geblieben Gefallen     und nicht mehr wiedergekommen   Gefallen     und aufgehoben Gefallen     und zusammengefegt Gefallen     und zerbrochen Gefallen     und doch nicht zerbrochen   Gefallen     der Urteilsspruch Gefallen     die Entscheidung Gefallen     ein Wort, das schmerzt Gefallen     ein Wort, das tröstet   Gefallen     […]

Dann ist Sommer!

Wenn der flatternde Admiral seine Route vergisst und sich ablenken lässt von lockenden Blüten – dann ist Sommer!   Wenn die Kugeldistel die friedliche Invasion von Hummeln und Bienen und Faltern erträgt – dann ist Sommer!   Wenn der Duft von Phlox meine Nase füllt und mit sanfter Dauer ein tiefes Atmen bewirkt – dann […]

Alter Apfelbaum

Deine Zeit ist vorbei das Früchtebringen ist vorüber du hast dich aufgebraucht ich habe dir deshalb die Axt – wie man so sagt – schon an die Wurzel gelegt.     Verzeih, wenn ich mich wehre:   Hab ich nicht auch schon immer   dir Schatten gespendet   wenn du müde warst   und ohne […]

Älter werden

Wenn die wichtigen Fragen die mir „warum“ beginnen allmählich den Anfang verändern stattdessen das „wozu“ ergründen wollen bist du dabei dich zu verändern   Warum das so ist? Wozu fragst du?

Wer das könnte

Wer das könnte:   bei jeder entdeckten Blüte den müden Puls erwachen lassen bei jedem Vogelruf der Trauer einen Buchstaben entwenden bei jedem Sonnenstrahl dem Leben einen Moment hinzufügen nach jedem warmen Regen ein Stück der Angst wegwischen jedem Tief einen freundlichen Blick entgegenwerfen bei jedem gesungenen Lied der Resignation den Fluchtweg zeigen   – […]

Die Erdbeere

Sie ist die Königin des Monats Juni, denn viele Menschen bücken sich vor ihr, und manche fallen vor ihr auf die Knie, um dieser Königin ganz nah zu sein.   Und diese Liebe bleibt nicht ohne Antwort, nein, sie erfreut nicht nur mit ihrem Duft, sondern verschenkt sich ganz und sieht darin schlicht ihres Lebens […]

Schneefall

Auf sanften Flocken schwebt die Stille durch die Luft die müde Erde bedeckend nach dem Lärm des Tages findet Verbündete im Dunkel der Nacht und dem Licht der Laterne   bis am nächsten Morgen die Schlagzeilen der Zeitung die Zusteller und Aufsteher die Eiskratzer und Schneeschieber die Wegfahrer und Hierbleiber die Stille vertreiben durch laute […]

Der Fliederstrauch

Er hat mir tatsächlich den Kopf verdreht ich war schon vorüber gegangen da holte sein zarter Duft mich ein und hielt meinen Sinn gefangen   ich drehte mich um und erblickte ihn in seiner üppigen Blüte und nickte ihm zu und bedankte mich für seine verschwendende Güte

Natürliche Geometrie

Die Kurven der Mittelgebirge sind schwer zu berechnen der breite Strom verrät nicht seine Tiefe und der Wacholder widerspricht der Horizontalen der Flussufer und Zäune die Pappel bestärkt sie in ihrem Himmelwärts   in spitzem Winkel beginnt der Entenflug und während der Bussard seine Kreise zieht beendet der Falke in senkrechtem Sturzflug das Leben der […]

Mein altes Sofa

Du hast im Laufe der Zeiten ein eigenes Gesicht erhalten und Falten wenn ich sie glätte sieht man noch das alte neue Braun verblichene Flecken an der Seite zum Fenster und dunkel glänzend die Stelle wo der Kopf seine Ruhe suchte   zusammen Falten und Flecken bekommen: so ist es wenn man das Leben lebt […]

Wörter

Sie waren da lange bevor mein Geist sich entfaltete sie halfen die Welt zu begreifen mit Menschen zu reden zuweilen zu schweigen   Leihgaben sind sie von vielen genutzt von manchen missbraucht ich wähle sie aus behutsam und scheu denn sie erwehren sich nicht des falschen Zugriffs   doch manchmal geschieht es dass ein Gedanke […]

Biografie

Der Krieg war ein halbes Jahr da lernte ich leben   der Friede war ein halbes Jahr da lernte ich lesen:   das i und das c und das h später das fis und das as und schließlich das a und das o

Herbst

Wenn die Blätter gelb und die Worte weniger werden findet man Früchte nicht nur da wo sie fallen   in Äckern und Köpfen muss man graben danach manche zerschneidet der Pflug Gespräche verstummen abgeschnittenes Wort beginnt zu verfaulen und manche vergessene Frucht überdauert den Winter auf Blättern wie diesen

Frostsicher

Mit gerollten Blättern trotzt der Rhododendron dem Frost der Spatz plustert sein Gefieder mich wärmt ein fremder Pelz in Grenzen mein Fell ist nicht dick genug ich beneide den Igel um seinen Winterschlaf

Am nahen Flusse

Am nahen Flusse hast du mich umarmt   und unser Schweigen haben wir in eine Bank geritzt die Worte konnten wir dem Wasser anvertrauen eins blieb zurück und half dem flachgetretnen Gras sich aufzurichten und den Blicken einander wahrzunehmen in der Dämmerung   am nahen Flusse hast du mich umarmt

Pater noster

noch ist es Zeit das Buch zu lesen und das Lied zu singen den Stein zu suchen und die Frucht zu ernten lohnt es sich noch das Buch zu lesen und das Lied zu singen den Stein zu suchen und die Frucht zu ernten und ich beginne jetzt das Buch zu lesen und das Lied […]

Wechsel

anders der Blick aus dem Fenster die Stimmen der Nachbarn die Wege beim Kommen und Gehen der Baum hinterm Haus   geblieben der Stuhl und der Tisch das Buch und das Bett das Unausgesprochne und auch das Spüren des Einklangs   in allem lag Abschied von Menschen und Räumen voll Leben und Fülle und Sterben […]

Umzäunt

Ich brauche einen Zaun über den die bunten Schmetterlinge fliegen können   Ich brauche einen Zaun durch den die kleinen Käfer kriechen können   Ich brauche einen Zaun der offen ist, weil man das Tor vergessen hat   Ich brauche einen Zaun über den mein Nachbar mit mir sprechen kann   du brauchst auch einen […]

Gartenzäune

Latten und Nägel Balken und Bretter Pfosten und Draht dornenbewehrtes Gesträuch   Liguster   von meinem Zaun kann man keinen Streit brechen  

Verbindung

die blaue Spur des Wortes findet hin zu dir sie ist ein Pfad auf dem du zu mir findest durch der Gedanken Flug ist fern gleich nah und unauflöslich ist der unsichtbare Faden und manchmal streichelt mich dein Auge, deine Hand sieht nach den Zeichen meiner Leere wir finden uns zurecht in dem Gewirr von […]